· 

Die Lunte brennt

Die Lunte brennt

 

 

Seit Mittwoch hat die Türkei mit ihrer Bodenoffensive auf syrischem Staatsgebiet, gegen die autonome Kurdenregion Rojava begonnen. Dieser kriegerische Akt mit der zynischen Bezeichnung: „Quelle des Friedens“ ist ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht. Der türkische Sultan Erdogan hat diese Invasion befohlen. Der Grund sind angeblich Sicherheitsinteressen der Türkei um vor terroristischen Angriffen der kurdischen YPG (Yekîneyên Parastina Gel, kurdische Volksbefreiungseinheiten), welche mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verbündet sind, geschützt zu sein.

 

 

Der Plan sieht vor entlang der türkisch – syrischen Grenze einen fast 500 km langen und 30 km tiefen Korridor zu schaffen, welcher nach der Eroberung, mit ca. 2,5 Millionen in der Türkei in Lagern lebenden, syrischen Flüchtlingen besiedelt werden soll.

 

Die Türkei führt schon seit Jahrzehnten einen Krieg gegen die Minderheit der Kurden. Erdogans Gefängnisse sind voll mit kurdischen Politikern, Dissidenten, Journalisten und Mitgliedern der PKK. Der PKK Führer Abdullah Öcalan wurde am 29.06.1999 von einem Gericht in Ankara wegen Hochverrat zum Tode verurteilt. Auf Druck der EU wurde das Urteil nicht vollstreckt und 2002 nach Abschaffung der Todesstrafe in Lebenslang umgewandelt. Er wird auch heute noch von der PKK und auch der YPG als Führer anerkannt.

 

Die HDP  Halkların Demokratik Partisi (deutsch Demokratische Partei der Völker) ist eine linksgerichtete Partei welche sich für die Minderheiten in der Türkei, insbesonders für die Kurden, stark macht. 2018 konnte diese Partei erstmals, mit einem Wähleranteil von mehr als 11 %, ins türkische Parlament einziehen. Abgeordnete der HDP sind immer wieder von Repressalien durch die regierende AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi) des Sultan Erdogan betroffen. Es gibt immer wieder willkürliche Verhaftungen oder Brandanschläge auf die Büros der HDP. Auch langjährige Haftstrafen für führende Funktionäre der HDP wurden bereits ausgesprochen.

 

Warum sollten wir die Situation an der syrisch – türkischen Grenze genau im Auge behalten? Ein Blick auf die Landkarte zeigt uns welches Potential dieser Konflikt in sich birgt. Wir haben dort ein Länder – Viereck. Die Länder Syrien, Türkei, Irak und Iran grenzen aneinander. Dass diese Region eine sehr fragile ist, ist wohl jedermann bekannt. Das hier die unterschiedlichsten Interessen aufeinanderprallen und ein Funke genügt um hier eine globale Explosion auszulösen ist zu befürchten.

 

 

Das Szenario: Das NATO Mitglied Türkei greift mit Hilfe der syrischen Rebellenarmee einen souveränen Staat an, Syrien. Dass die Türkei schon immer mit den syrischen Rebellen und dem IS zusammen gearbeitet haben ist kein Geheimnis. Sie greifen ein Gebiet an in dem die verfeindete YPG bis vor wenigen Tagen gemeinsam mit dem NATO Mitglied USA gegen den IS gekämpft hat. Die Kurden haben in diesem Gebiet mit der Duldung von Syrien das autonome Gebiet Rojava gegründet.  Die Türkei und die USA haben sich im Syrienkrieg für die Absetzung des syrischen Präsidenten Assad stark gemacht. Russland und der Iran unterstützen wiederum Assad. Im Norden des Irak haben die Kurden, dass autonome Nordkurdistan gegründet. Die berühmt berüchtigten Peshmerga . Kämpfer(innen) sorgen in dieser irakischen Region für Sicherheit.

 

 

Wie könnte sich das entwickeln? Die Kurden werden das Gebiet nicht kampflos an die Türken abgeben. Sie werden als erstes Assad um Hilfe bitten. Assads Truppen sind in großer Zahl im Raum Idlib gebunden. Die letzte Bastion des IS. Logischerweise, da es sich um syrisches Gebiet handelt und dieser Einsatz ein kriegerischer Akt gegen Syrien darstellt müsste Assad reagieren. Die Frage die sich stellt ist, ist Assad nach 8 Jahren Bürgerkrieg willens bzw. überhaupt noch in der Lage einzuschreiten? Eine logische Konsequenz wäre, dass Assad Putin um Hilfe bittet. Die Russen haben ein ureigenes Interesse einzuschreiten. Sie haben seit Jahren eine Luftwaffenbasis in Latakia und damit auch einen direkten Zugang zum Mittelmeer. Eine direkte Unterstützung, wenn auch nur mit Luftschlägen gegen das NATO Mitglied Türkei würde eine internationale Krise nach sich ziehen. Heißt, dass Russland nur auf Umwegen eingreifen kann. Sprich Putin wird die irakischen Kurden und den Iran in Person der Hisbollah Milizen weiter bewaffnen und in die Auseinandersetzung einbinden. Kampferprobte tapfere Kämpfer der syrischen Kurden, der Peshmerga und der Hisbollah können einer nicht kampferprobten, zwar gut ausgerüsteter, türkischen Armee sehr wehtun. Wir haben es immer wieder erlebt wie sogenannte Guerilla Armeen mit ihrem unermüdlichen, unerschrockenen Einsatz Weltmächte zur Verzweiflung brachten. Die irakischen Kurden haben auch noch ein Trumpf Ass im Ärmel. Die Pipeline von Kirkuk zur türkischen Küste. Die könnten den Türken erstmal den Ölhahn zudrehen.

 

 

Was auch noch eine Gefahr darstellt sind die syrischen Rebellen die an der Seite der Türken aufmarschiert sind. Wie man so hört sind einige der IS Straflager in Artillerie Reichweite. Sie könnten versuchen sich einen Korridor zu den Lagern freizukämpfen um ihre Kameraden zu befreien. Diese stünden dann teilweise im Rücken der Kurdenstellungen. Die Kurden müssten sich dann auf zwei Seiten verteidigen, was eine sehr schwierige Aufgabe wäre. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor sind die zigtausenden verstreuten, geflohenen IS Kämpfer die sich im Hinterland Syriens und des Iraks versteckt halten. Gelingt es der Führung des IS diese Leute wieder zu mobilisieren und zusammen zu führen dann wäre dies eine schlagkräftige Armee die sich im Rücken der Kurden formieren würden. Bei einem geschätzten Vermögen von 300 Millionen Dollar wäre so eine Armee sehr schnell gut ausgerüstet und kampfbereit. An Motivation würde es diesen Kämpfern sicher nicht fehlen nachdem sie von den Kurden praktisch im Alleingang besiegt wurden.  

 

 

Wie werden die USA bzw. Trump darauf reagieren? Eines ist sicher, direkt einsteigen in diesen Konflikt können sie nicht. Sie können nicht gegen ein NATO Mitglied direkt Krieg führen. Sie werden protestieren und mit Sanktionen drohen, mehr schon auch nicht. Und die EU? Wir werden verhalten protestieren und keinesfalls Sanktionen verhängen, da Erdogan 3,5 Millionen überzeugende Gründe hat, dass wir die Füße still halten.

 

 

Es ist nur eines sicher in diesem Konflikt. Es werden wieder zigtausende Menschen sterben. Hunderttausende müssen wieder einmal flüchten. Man kann nur hoffen dass die beteiligten Kontrahenten keinen Fehler machen und einen Weltenbrand auslösen nur weil ein selbsternannter Sultan glaubt er kann tun und lassen was er will.

 

Euer

 

Christian Hauser

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0